Stigma

Wir leben nicht mehr in Zeiten, in denen Psychiatrieinsassen einem prinzipiell gewalttätigen System unterworfen werden (wie in Einer flog übers Kuckucksnest), aber vielfach ist der Umgang mit psychischen Erkrankungen auch heute noch von Tabu, Stigma und Angst geprägt – vielleicht eine über die Generationen weitergegebene Furcht vor dem »Wegsperren«.1

Dass Menschen offen über ihre psychische Erkrankung sprechen ist also alles andere als selbstverständlich, und das trotz einer Prävalenz, also Häufigkeit, die in Deutschland allein bei Depressionen etwa jede vierte Frau und jeden achten Mann im Laufe des Lebens betroffen sein lässt. Kein Wunder, könnte man meinen, angesichts von Faktoren wie Arbeitslosigkeit (und das damit einhergehende spezielle Stigma), sozialer und finanzieller Deprivation.

Natürlich gibt es – wie meist im Leben – auch die andere Seite: Menschen, die einem nahestehen oder toleranter sind, reagieren mitfühlend und unterstützend, bisweilen interessiert. Ich habe mich bei meinem Nachdenken über die Akzeptanz meiner Erkrankung jedenfalls dazu entschlossen, nicht mehr nur kein Geheimnis mehr daraus zu machen, sondern aktiv damit umzugehen. Für mich und vielleicht ein kleines bisschen für die Verbesserung gesellschaftlicher Partizipation von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Deshalb auch dieses ABC.


(1) In Deutschland vielleicht noch konkreter als unbewusster Nachhall der Euthanasie (vgl. Aktion T4).